Um Aufbau und Bedeutung des Motivationsschreiben im heutigen Bewerbungsprozess ranken sich viele Mythen. Aber wie fassen “wir” PersonalistInnen ein Motivationsschreiben tatsächlich auf und wie beeinflusst es unsere Entscheidungsfindung? Folgen Sie mir auf eine kurze Gedankenreise in die scheinbar undurchschaubare Welt des Recruitings…
Zu allererst: Wir möchten Sie kennenlernen und arbeiten dabei nach bestimmten Mustern. Ein noch so gutes Motivationsschreiben alleine bringt Ihnen aber noch kein erfolgreiches Jobangebot ein. RecruiterInnen sind während der Durchsicht Ihres Dossiers in erster Linie auf der Suche nach den – nennen wir es – “Must Have´s”, die für die Position erforderlich sind. Ebensowenig scheiden Sie aufgrund eines “schlechten” Motivationsschreibens aus dem Prozess aus. Egal wie viel oder wenig literarisches Genie also in Ihnen steckt, die aus Ihrem Werdegang sichtbare Qualifikationen stehen im Recruiting glücklicherweise tatsächlich immer im Mittelpunkt des Auswahlprozesses (Professionalität vorausgesetzt).
Welche Rolle spielt das Motivationsschreiben dann überhaupt?
Ein gutes Motivationsschreiben kann helfen, neben den aufgelisteten Lebenserfahrungen im CV, einen ersten Eindruck Ihrer Person und Ihrer Wünsche für die Zukunft zu erahnen, eben Ihrer Motivation für die konkrete Stelle. Betrachten Sie es daher als Ihren sechsten Gang auf der Autobahn zum neuen Job: nützlich, aber nicht lebensnotwendig. Oder einfach als “Anmachspruch der klassischen Recruiting-Welt”: Setzen Sie es geschickt ein, hilft es Ihnen, erfolgreich zu sein und den Erstkontakt herzustellen.
Soweit die Theorie! Was aber lässt sich tatsächlich auf einer knappen A4 Seite zu diesen Themen sagen?
Sehr gut bewährt hat sich die kurze Beantwortung folgender Fragen im Motivationsschreiben:
- Warum möchten Sie diese Stelle ausüben?
- Welche Qualifikationen bringen Sie für die konkrete Stelle mit?
- Welche (theoretisch) nachweisbaren Erfolge zeigen, dass Sie diese Qualifikationen tatsächlich besitzen?
- Wie unterscheiden Sie sich Ihrer Meinung nach von acht Millionen anderen Menschen in Österreich, was “zeichnet Sie persönlich aus”?
Doch leider sind diese Fragen nicht leicht zu beantworten, da es dabei zugegebenermaßen, um die “großen Themen des Lebens” geht. Die wenigsten “unserer” potentiellen neuen MitarbeiterInnen kennen bereits eindeutige Antworten auf diese Themen und trauen sich auch noch, im Bewerbungsgespräch offen darüber zu sprechen. Aus eben diesem Grund entstand dazu sogar ein eigener Berufsstand: das “Recruiting”. Alle Personalauswahlverfahren und ganze Forschungszweige (Stichwort “Eignungsdiagnostik”) beschäftigen sich ausschließlich damit, Verfahren für die Gewinnung valider Antworten auf diese (und einige andere…) Fragen im Auswahlverfahren von neuen Mitarbeitern zu finden.
Eine Anleitung für das perfekte Motivationsschreiben könnte in etwa so aussehen:
- Verschaffen Sie sich an einigen entspannten Nachmittagen Klarheit über die oben beschriebenen Punkte. Dabei handelt es sich um einen einmaligen Aufwand, weil der Großteil Ihrer Qualifikationen, Wünsche und Eigenschaften sich nicht schnell verändert. Notieren Sie sich Ihre Gedanken und Wahrnehmungen dazu unbedingt. Erlaubt ist alles, was gefällt. Die größten Schwierigkeiten bestehen meist bei Frage Nummer eins. Natürlich hat nicht jeder das Glück, eine klare Vision seiner Zukunftswünsche zu haben. Von Bedürfnissen wie “Ich möchte einfach losstarten und die Welt entdecken” über “Ich muss meine Rechnungen zahlen”, sollten Sie hier alles zulassen. Entscheidend ist, eine Argumentationslinie zu finden, die dafür spricht, die konkrete Stelle anzutreten, etwa ein in der Stellenanzeige angeführtes Aufgabengebiet oder ein besonderes Fachgebiet.
- Ebenfalls müssen Sie sich für eine grobe Struktur Ihres Schreibens entscheiden – Frage 3 und 4 werden sich (zwangsweise) eher in der zweiten Hälfte Ihres Textes befinden. Ob Sie zu Beginn Ihre konkreten Qualifikationen oder Ihre Motivation für die Stelle zum Ausdruck bringen, ist dagegen eher Geschmackssache.
- Schreiben Sie in Ihrem Dokument schließlich zu jedem Punkt ein paar Sätze nieder und bedienen Sie sich keiner Formulierungen, die Sie nicht auch in einem persönlichen Gespräch nutzen würden – verzichten Sie auf “abgehobenes” Vokabular und seien Sie ehrlich und authentisch. Was zählt, ist der Inhalt und nicht Ihre schriftstellerische Begabung, denn aus dieser finden “wir RecruiterInnen” keine klaren Antworten.
- Last, but not least: Checken Sie Ihr Werk nach einer längeren Pause auf etwaige Verbesserungsmöglichkeiten bzw. Rechtschreib- und Tippfehler.
Nun kennen Sie auch schon die wichtigsten Geheimnisse aussagekräftiger Motivationsschreiben und die Themen, denen “wir” PersonalistInnen stets auf der Spur sind (oder zu sein versuchen). Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, dass sich dahinter keine magischen Formeln und mystische Beschwörungsrituale verbergen (diese wären hingegen weniger komplex und sicher spektakulärer anzuwenden…). Nutzen Sie einfach “unsere” Neugierde für die angeführten Themen zu Ihrem Vorteil und lassen Sie sich überraschen!